Die Kreisstadt Anklam mit heute etwa 14.000 Einwohnern liegt als ein Mittelzentrum verkehrsgünstig am Übergang zur Insel Usedom, ist über die A 20 und einige Bundesstraßen sowie über die Bahnstrecke Berlin-Stralsund sehr gut erreichbar und verfügt außerdem noch über einen eigenen Flughafen.
Letzterer wurde der Stadt mit den dort ansässigen Arado-Flugzeugwerken im Zweiten Weltkrieg zum Verhängnis als die alliierten Bomberverbände das Werk zwischen 1943 und 1945 gleich mehrfach bombardierten und dabei ein ums andere Mal auch die Stadt trafen. Zu diesem Bombardement kam auch noch der Beschuss durch die Deutsche Wehrmacht, die auf ihrem Rückzug verbrannte Erde hinterlassen wollte und unter anderem den Turm der Nikolaikirche mit ihrem Artilleriefeuer traf. Der fiel daraufhin in das Kirchenschiff und zerstörte die bis dahin nahezu unbeschädigte Kirche.
Von der stolzen Hansestadt war nach dem Krieg nicht mehr viel geblieben, so dass sich die Altstadt heute mit weit verstreuten historischen Resten, die zum Teil noch aus dem Mittelalter stammen, vor allem aber im neunzehnten Jahrhundert entstanden sind, und die verschiedenen Schichten des Wiederaufbaus in Zeiten der DDR zeigt. Einige Bauten sind nach der Wende, wie das Einkaufszentrum am Markt, nur mehr oder weniger eingefügt worden. Diese Zeit hat Anklam allerdings nur eine kurze Phase des Aufbruchs beschert. Nicht wenige Grundstücke sind seit dem Zweiten Weltkrieg gar nicht mehr bebaut worden und Abwanderung sowie demographischer Wandel haben einen Rückgang der Bevölkerungszahl von einst 21.000 auf 14.000 Einwohner bewirkt, der seine Talsohle noch nicht erreicht hat. Die Arbeitslosigkeit ist in der Stadt mit über 20% noch immer hoch, auch wenn Anklam nicht mehr die Statistik der Bundesrepublik anführt. Mittlerweile findet aber auch eine Zuwanderung statt. Sie bezieht sich vorwiegend auf ältere Menschen, die die Vorzüge einer Stadt der kurzen Wege schätzen und in Anklam auch neue Einrichtungen für betreutes Wohnen beziehen.
Diese Entwicklung könnte für die Stadt zu einem Trend werden, denn ihre Lage am Wasser des Peenestroms hat nicht nur verkehrstechnische Bedeutung, sondern auch für das Wohnen und das Leben in der Stadt einen besonderen Reiz. Haff und Ostsee sind nicht weit. Anklam hat eine bewegte Geschichte, ist die Geburtsstadt des Flugpioniers Otto Lilienthal, der Dichter Uwe Johnson hat hier seine Kindheit und Jugend verbracht und verschiedene bekannte aber auch weniger bekannte Wissenschaftler und Forscher haben hier gelebt. All das bietet erhebliche Attraktionspotenziale, die einen Zuzug verstärken könnten, der schließlich auch von einem allgemeineren Rückzugstrend in die Städte beflügelt werden könnte. Schon in naher Zukunft könnte dazu auch die Entwicklung der Energiekosten beitragen, für die kurze Wege und eine kompakte energieeffiziente Bauweise entscheidend sind. Anklam könnte so auch seine Stellung als Mittelzentrum ausbauen.
Zu Beginn der Planerwerkstatt wiesen die Redner des Tages in kurzen einführenden Ansprachen auf die Problemlage, die Potenziale der Stadt und auch darauf hin, dass die Gelder aus Städtebauförderung und Länderfinanzausgleich in Zukunft immer stärker reduziert würden. Auf letzteren Punkt hob vor allem Bürgermeister Dr. Detlef Butzke ab. Der Präsident der Architektenkammer Joachim Brenncke appellierte auch an die Offenheit der Bürger gegenüber den Ideen der Architekten, die schließlich nicht gegen sondern mit den Menschen und ihren Vorstellungen arbeiten wollten. Landrätin Dr. Barbara Syrbe fand gleich zehn Ansätze für die Entwicklung Anklams. Auch der Bürgervorsteher der Stadtvertretung Karl-Dieter Lehrkamp, der intensiv an der Vorbereitung der Tagung beteiligt war, betonte die Notwendigkeit, sich auf Entwicklungspotenziale der Stadt zu konzentrieren. Thomas Riemer von der BIG STÄDTEBAU M-V GmbH sowie die Rahmenplaner Hans Hellmann und Dr. Alexander Schmidt konkretisierten noch einmal die Leitbildvorstellungen und Entwicklungsansätze. Zum Abschluss stellte Christiane Falck-Steffens, die Leiterin des Amtes für Raumordnung und Landesplanung Mecklenburg-Vorpommern, Anklam noch einmal in den übergeordneten Zusammenhang der Raumplanung für Vorpommern.
Nach einem Rundgang durch die Altstadt teilten sich Teilnehmer in Arbeitsgruppen ein, um sich den konkreten Aufgaben anzunehmen.
Konkret stellten sich unter dem Motto Stadt-Land-Fluss gleich mehrere Fragen: Wie mit der Innenstadt umgegangen werden kann und ob sich die noch leeren Bereiche mit traditionellen Baustrukturen füllen lassen, damit sich die Attraktion der Stadt auch zu einer Anziehungskraft für das Mittelzentrum entwickeln kann. Wie soll dabei mit den Strukturen des Wiederaufbaus, seinen Qualitäten und aber auch seinen architektonischen Problemzonen umgegangen werden? Ein besonderer Wunsch der Stadtvertreter war die Aufwertung im Umfeld der zerstörten Nikolai-Kirche. Und wie kann, wie soll mit den attraktiven Grundstücken an der Peene umgegangen werden? Sollen sie weiter für Feste und Veranstaltungen genutzt werden, die derzeit eine der Stadtattraktionen ausmachen oder sollen sie dafür genutzt werden, mit einer interessanten Planung Investoren anzuziehen?
Unter den teilnehmenden Planern bildeten sich zwei Arbeitsgruppen. Gruppe 1 konzentrierte sich stark auf die städtebaulichen Aspekte unter dem Leitthema Otto Lilienthal. Sie sah in ihren Vorschlägen eine Aufwertung der Wasserkante an der Peene vor und eine attraktive Verbindung des Marktplatzes entlang der Nikolaikirche zur neuen Wasserpromenade einzurichten und mit Gastronomie, Läden und anderen Einrichtungen zu beleben. Das jetzt dort zeitweise residierende Theater sollte nach Norden verlegt werden, um einerseits den Ausbau der Promenade zu ermöglichen und andererseits das nördliche Ufer der Peene zu beleben. Hier wären verschiedene Einrichtungen vorstellbar: ein Ponton mit Café und Badeanstalt oder ein Theaterspielort, außerdem ein Wasserwanderrastplatz, ein Caravanparkplatz und ein Busparkplatz könnten eingerichtet und ein Wanderweg angelegt werden. Der Hafen selbst sollte für den touristischen Bootsverkehr geöffnet und in der Stadt ein Besucherleitsystem aufgebaut werden. Ganz entscheidend für dieses Konzept ist aber der Umbau der Peenebrücke, um eine bessere Zufahrt zum Anklamer Hafen zu erreichen. Die industriell genutzten Areale sollten nach Vorstellung der Arbeitsgruppe im Norden konzentriert werden.
Die zweite Arbeitsgruppe legte besonderen Wert auf die landschaftlichen Reize am Nordufer der Peene. Die dortige Moorlandschaft bietet eine einzigartige Tierwelt und damit auch ein hohes touristisches Potenzial. Gleichwohl solle das Moor nicht begehbar sein, es sollten vielmehr Stege hindurch führen, Beobachtungsposten aufgebaut und Kanutouren angeboten werden. Ansonsten schlugen auch sie vor, die Uferkanten der Peene zu „bespielen". Im Norden sollten eher weiche, im Süden eher harte Kanten ausgebildet werden, so dass es eine städtische und ein ländliche Kante gibt. An der Peene sollten auch nach Auffassung dieser Arbeitsgruppe vor allem touristische Einrichtungen angesiedelt, die Festveranstaltungsplätze dagegen in die Stadt verlegt werden. Leere Grundstücke an der Peene sollten hier begrünt werden, auch wenn sie später noch bebaut werden würden. Es wäre hier auch sehr angebracht, Gastronomie anzusiedeln, da dies erheblich zur Belebung beitrage.
In der anschließenden Diskussion bedankte sich der Bürgervorsteher Karl-Dieter Lehrkamp für die Mühen der Planer und ihre vorgestellten sehr guten Ideen. Es gelte jetzt, die Schnittpunkte der verschiedenen Ansätze herauszuarbeiten und weiter zu verfolgen.
Olaf Bartels