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Planerwerkstatt Dranske

DAB-MV 10 07.indd 8. Planerwerkstatt
3. bis 4. September 2007

Die Gemeinde Dranske auf der Insel Rügen war Schauplatz dieser achten Planerwerkstatt. Einmal mehr hatte man sich mit der Wahl des Ortes keine einfache Aufgabe gestellt. Von 4.000 auf 1.200 Einwohner sank seit 1989 die Bevölkerung der 21 Quadrat­kilometer großen Gemeinde, die land­schaftlich höchst attraktiv im äußersten Nordwesten Rügens gelegen sich neue Entwicklungsperspektiven zu schaffen versucht.

Broschüre PW Dranske 2008 (PDF)

DAB-MV 10 07.indd Über Jahrzehnte hatte das Militär das frühere Fischerdorf dominiert. 1915 wurde hier zuerst eine kaiserliche Flie­gerschule auf dem Wieck eingerichtet, dann ab 1934 einer der bedeutendsten Fliegerhorste des „Dritten Reiches" auf der nahen Halbinsel Bug gebaut, für den der alte Ort fast völlig abgerissen und durch eine sehr attraktive Garten­stadt-Siedlung für die Militärangehöri­gen ersetzt wurde. Nach 1945 war es damit erst einmal zu Ende als die Rus­sen die Militäranlagen zerstörten. Doch nach 1963 sperrte die NVA die Halbin­sel Bug erneut für die Öffentlichkeit und baute dort einen der größten Schnellbootstützpunkte der DDR, für dessen Personal eine ausgedehnte Plat­tenbausiedlung am Eingang von Drans­ke entstand, die mit Maßstab und Cha­rakter der Gartenstadt brach und heute noch das Bild des eigentlich idyllischen Ortes erheblich beeinträchtigt.

1990 endete endgültig die militä­rische Geschichte Dranskes, begann die Phase einer schmerzhaften Neufindung, die noch nicht abgeschlossen ist. Durch den Nachwendekauf von acht Wohnblö­cken, die bald leer standen und im Zuge des Rückbau-Programms verschwan­den, verschuldete sich die Gemeinde und geriet in Zwangsverwaltung. Die Hoffnungen auf Investitionen für „Olympia 2012" im Fahrwasser von Leipzigs Kandidatur scheiterten eben­falls. Was vom Traum eines olympi­schen Segelsport-Stützpunktes blieb, ist ein 480 Mio. schweres Tourismuspro­jekt, das die nahezu einmalige Wasser­sportlage zwischen Bodden und Ostsee für ein „Bug Baltic Sea Resort" nutzen will, für zwei neue Häfen, Luxushotels und ausgedehnte Ferienappartementan­lagen. Doch entgegen vieler Ankündi­gungen und dem Interesse der Kem­pinski-Gruppe am Projekt sind bis heute Investoren nicht in Sicht, die dieses wohl größte Tourismusprojekt Deutsch­lands in Angriff nehmen.

Zwischen großen Hoffnungen und unübersehbaren Zeichen des Leer­stands und Zerfalls schwankt Dranske heute, das sich mit 5.000 Gästebetten im Bestand, ausgedehnten Campingan­lagen sowie nationalen Segel- und Surf-Wettbewerben durchaus einen Namen gemacht hat. Eine konkrete Hilfe für Gartenstadt und Plattenbauten erhoff­ten sich nun nicht nur die Gemeinde­vertreter, sondern auch die überörtli­chen Politiker und Vertreter verschiede­ner Institutionen, die in großer Zahl zur Eröffnung der achten Planerwerkstatt nach Dranske kamen.

„Umsetzbare Ideen"

Einmal mehr verdeutlichte Chris­tiane Falck-Steffens, die Moderatorin und Gründerin der Planerwerkstatt, die Brisanz und Zielsetzung der Veranstal­tung, die Städten neue Hilfe und Pers­pektiven anbieten will. Dr. Peter Hajny, einer der Leiter der aktuellen Planer­werkstatt, betonte, dass hier nicht nur „gute Ideen, sondern vor allem umsetz­bare Ideen gewünscht sind." Die Planer­werkstatt könne und wolle keinesfalls komplexe Planungsleistungen ersetzen, doch die Kreativität und Dialogbereit­schaft der Planer demonstrieren. Rein­hard Dietze, der Geschäftsführer der Architektenkammer, hob nochmals die Bedeutung der Planerwerkstatt als ein Forum des Austauschs und zentralen Bausteins für eine lebendige Baukultur hervor.

Staatssekretär Sebastian Schröder begrüßte ausdrücklich die Initiative der Architektenkammer, die sich immer wieder der schwierigen Vermittlung von Planungsprozessen gegenüber den Bür­gern stellt. An Kritik gegenüber der Ge­meinde sparte er aber nicht, die in den letzten Jahren dem Ministerium keine „überzeugenden Perspektiven" mehr vorlegen konnte. Groß schätzte er das touristische Potenzial der Gemeinde ein, die etwa im Ortsteil Lancken gute Aussichten auf die Realisierung einer Golfplatz-Anlage habe. Doch neben dem Tourismus müsse sich Dranske vor allem zu einem „attraktiven Ort der Einwohner" entwickeln, wozu er die Forderung an die Teilnehmer richtete: „Stellen sie ruhig die Fragen, die weh tun."

Landrätin Kerstin Kassner kriti­sierte zwar deutlich die vergangene „Fülle der Bauleitplanungen für eine so kleine Gemeinde", aber gab auch Anlass zur Hoffnung, dass Dranske bald zum Teil entschuldet werden könne. Robert Erdmann, Geschäftsführer der „EGS Entwicklungsgesellschaft" gab Einblick in die Planungen seit 1992 und drückte seine Hoffnung auf neue Impulse durch die Planerwerkstatt aus. Dr. Brigitte Thom vom Amt für Wirtschaft und Kul­tur des Landkreises Rügen forderte in ihrem sehr profunden Vortrag zur Tou­rismusentwicklung der größten deut­schen Insel dazu auf, sich „stärker Qua­litätsfragen zu stellen, um neue Grup­pen zu erschließen." Ein Wunsch, dem sich Bürgermeister Michael Heese gern stellen wollte, der die Geschichte und Probleme der Gegenwart seiner Ge­meinde überaus klar vor Augen führte. In verschiedenen Ortslagen entstehen derzeit neue Ferienhausanlagen und dank eines Investors wird die Bodden­promenade bald wieder eine neue See­brücke besitzen, um den angestrebten Status einer Kurgemeinde einen Schritt näher zu kommen. Von der Planerwerk­

Am statt erhoffte er sich vor allem Lösungen für die weitere Aufwertung der Prome­nade sowie des Ortseingangs, der bis­lang noch von den verbliebenen Plat­tenbauten visuell dominiert wird. Da er sich von dem Erfolg des „Bug Baltic Sea Resorts" überzeugt zeigte, forderte er auch zu einer Ergänzung der Garten­stadt auf den weiten Brachflächen der bereits abgerissenen Plattenbauten auf.

Nach einer gemeinsamen Bege­hung von Dranske und Bug waren rasch die Brennpunkte des Ortes und die The­men der Arbeitsgruppen ausgemacht. Unter der Leitung von Dr. Peter Hajny und Lutz Braun wurden zwei Gruppen gebildet. Der Aufwertung der zentralen Bereiche der Gartenstadt wollte sich die Gruppe um Lutz Braun widmen. Eine städtebauliche Neuorientierung des Ortszentrums zum Plattenbauviertel und zu seinen weiteren Entwicklungs­gebieten hin wollte die Gruppe von Dr. Peter Hajny formulieren.

„Dranske als einen Ort des Woh­nens stärken"

Ausgehend von der Analyse des Bestands und der Annahme einer mit­telfristigen Realisierbarkeit des ehrgei­zigen Tourismusprojektes auf dem Bug entwickelte die Gruppe um Dr. Hajny, Gundel Keil, Dierk Evert und Sylva Schlettwein ein neues Leitbild für die alte Gartenstadt als Wohnort mit neuen Wegenetzen, Wohngebiet und Grüngür­tel. Äußerst attraktiv könnte Dranske angesichts seiner sehr niedrigen Bau­landpreise für Zuzügler aus der Region sein, wenn es nur seine Sport-Potenzia­le Segeln, Angeln und Surfen stärker nutzen würde.

Die Planer schlugen dazu ver­schiedene Maßnahmen der Aufwertung seiner Rand- und Uferbereiche vor. Eine symbolische Segelskulptur am Eingang Dranskes könne etwas klarer seine Be­deutung und ein neuer Grüngürtel sei­ne Historie und Charakter einer Garten­stadt visualisieren, hinter dessen Bäu­men auch zum Teil die störenden Plat­tenbauten verschwinden könnten. In Anlehnung an die radiale Struktur der Gartenstadt wurde für die Brache der bereits abgerissenen Plattenbauten ein neuer Brückenschlag mit einem neuen Stadterweiterungsgebiet vorgeschlagen, das eventuell experimentellen Woh­nungsbau dienen könne.

Neue Wegenetze zu den weiter entfernten Entwicklungsgebieten wur­den hier ebenso entwickelt wie eine Stärkung des Zentrums, wo etwa Sur­fern und Kitesurfern mehr Platz und Möglichkeiten eingeräumt werden könnten. Neue „Frequenzbringer", so Dr. Hajny, seien für sie und die Bewoh­ner zu entwickeln, um den Kernort ge­genüber seinen Tourismussatelliten zu stärken, wofür neben den Ausbau der Festwiese auch eine Aufwertung der Schulstraße zur neuen Querachse des Ortes nötig sei, die endlich die Einma­ligkeit seiner Lage zwischen Bodden und Ostsee bewusst machen könne.

„Eine Kurmeile zwischen Ostsee und Bodden"

Die Bedeutung der Schulstraße als einer neuen Querachse des Ortes erkannte auch die Gruppe um Lutz Braun, Anja Sawatzki, Hans Giger und Kirsten Fuß, die sie aber mit verschiede­nen Angeboten neuer Rundwege für Fußgänger, Radfahrer und Reiter ver­banden. Hier wurde noch stärker das Alleinstellungsmerkmal Dranskes für ein touristisches Publikum herausgear­beitet, nämlich als die einzige Garten­stadt an der Ostsee, die Tradition und Moderne zu verbinden versucht. Zuwe­nig sei jedoch bislang für das histori­sche Zentrum geschehen, dessen bauli­ che Qualitäten u.a. mit der Entwicklung einer „Gestaltungsfibel" vor zu individu­ellen Umbaumaßnahmen geschützt werden müsste.

Ein neues Ortszentrum wurde mit der Transformation der erst vor kurzem aufgegebenen Grundschule zu öffentli­chen Zwecken vorgeschlagen, das die zu einer „Kurmeile zwischen Ostsee und Bodden" aufgewertete Querachse mit neuen Funktionen bereichern könn­te. „Vorgarten-Wettbewerbe" und diver­se Neupflanzungen könnten hier ebenso die Aufenthaltsqualität steigern wie auch umfangreichere Baumaßnahmen an den beiden Ufern, wo eine Plattform am Meer oder auch Seebrücken den Besuchern die landschaftlichen Reize Dranskes klarer demonstrieren könn­ten. Als „Sportküsten" würden dann endlich die Ufer wahrgenommen wer­den, was mehr Touristen nach Dranske ziehen lasse. Sehr detailliert nahm sich diese Gruppe den verschiedenen räum­lichen Situationen an, die zum „Kur­platz", „Schulplatz" oder meditativen Rückzugsort an der kleinen Kirche ver­dichtet das Vorhandene mit relativ ge­ringen Mitteln zu transformieren ver­suchte.

Voller Lob äußerten sich über die Ergebnisse der Arbeitsgruppen alle lo­kalen Politiker und Verwaltungsspezia­listen, die am Ende in noch größerer Zahl anwesend waren und sogar teil­weise ununterbrochen über beide Tage die Gruppen begleitet hatten. Die Vize­bürgermeisterin Rita John zeigte sich erleichtert, dass endlich „der Wert für das Vorhandene näher gebracht wird, was unserer Seele gut tut". Bürgermeis­ter Heese betonte nochmals die Not­wendigkeit von Visionen und wollte fast schon unmittelbar mit der Realisierung der Plattform an der Ostsee beginnen. Erfahrene Planer wie Peter Hajny und Lutz Braun mussten da fast schon mah­nende Worte ergreifen, dass die Ideen der Planer langfristiger wie ebenso kon­tinuierlicher Realisierungsstrategien bedürfen. Rundum ein Erfolg war so die achte Planerwerkstatt, deren Impulse in der unmittelbaren Zukunft hoffentlich auch Früchte für den Berufsstand tra­gen werden.

Claus Käpplinger

 
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