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Kolumne Baukultur 6#

Vier Beziehungen zur Zeit
Eine Bestandsaufnahme mit Zukunftspotential

von: Anne-Sophie Woll

In der Landschaftsarchitektur wirkt der Faktor Zeit am unmittelbarsten. Die Auseinandersetzung mit den Jahreszeiten und den Veränderungen des Klimas und der Vegetation bilden die Grundlage und den Reiz jeder Planungsaufgabe. Die Betrachtung unterschiedlicher Zeithorizonte ist unabdingbar. Wir denken allein daran, wie lange es braucht, dass aus einem Bäumchen ein Baum wird. Gleichzeitig gibt es das Bewusstsein, dass wir zwar planen können, aber nicht alles planbar ist. Dass wir Voraussetzungen zum Gelingen eines Projektes schaffen, aber ein Rest bleibt, der in der Verantwortung des Wetters, der Pflege und des Zufalls liegt. Landschaftsarchitektinnen und -planer sind sich der Dynamik und Fragilität eines Entwurfes bewusst. Damit einher gehen Demut und ein Selbstverständnis, dass ein gelungenes Projekt nur im Zusammenspiel mit allen äußeren Faktoren möglich ist.

Im Städtebau spielt die Zeit auch eine wesentliche Rolle. Ohne Prognosen und Studien zu Bevölkerungs- oder Klimaentwicklungen und der Beleuchtung unterschiedlicher Zeithorizonte und Szenarien ist eine fundierte, bedürfnisorientierte Planung ausgeschlossen. Wir bewegen uns dabei stets in einem Graubereich, denn die Planungszeiträume sind mitunter so lang, dass nur Vermutungen darüber angestellt werden können, was sein wird, wenn die Projekte zum Abschluss kommen. Jede Stadtplanung verlangt ein hohes Maß an Weitsicht und Bereitschaft, die Inhalte im Verlauf der Planung anzupassen. Wer das nicht zulässt, wird an der Realität scheitern.

Der Innenarchitektur wohnt ein Stigma inne. Sie ist die Disziplin, die durch Moden und Nutzungsänderungen den stärksten Veränderungen unterlegen, am kurzlebigsten ist. Gleichzeitig steht sie in großer Abhängigkeit zu den anderen Disziplinen. Wir könnten meinen, dass sie ja „nur“ füllt, was sowieso schon da ist. Damit werden wir der Innenarchitektur aber nicht gerecht. Vielleicht sollten wir die Sicht sogar umdrehen: Die Innenarchitektur ist den Menschen und der Zeit am nächsten. Sie schafft die Räume, in denen wir uns am längsten aufhalten. Sie hat vielleicht sogar den größten – unmittelbarsten – Einfluss auf uns. Sie fordert von den Planenden den Willen zur Erneuerung und setzt gleichzeitig eine spielerische Leichtigkeit voraus, um die Dynamik zu meistern.

Welche Haltung nehmen klassische Architekturschaffende gegenüber der Zeit ein? Der typische Architekt, wenn man so schablonenhaft überspitzt sprechen darf, klammert den Zeitfaktor gerne aus. Wir planen ein fertiges Bauwerk, das dann in seiner Vollkommenheit Bestand haben soll. Wir ertragen es schwer, wenn Änderungen am Gesamtkunstwerk vorgenommen werden oder Zeichen der Aneignung durch die Nutzung das gewollte Bild verunschärfen. Die Planung in unterschiedlichen Zeithorizonten fällt der Architektur nicht immer leicht. Aber die gute Nachricht ist: Es tut sich etwas.

Die neue Generation der Planenden sieht sich als Netzwerkerinnen und Netzwerker. Wir erkennen die Qualitäten der einzelnen Disziplinen an und schauen über den Tellerrand. Nur so können wir den immensen Anforderungen der Zeit gerecht werden und flexibel genug auf Veränderungen eingehen. Wir denken Landschaft, Stadt und Raum immer mehr in Zusammenhängen und Erkennen, dass es Faktoren gibt, auf die wir wenig Einfluss nehmen können. Unser Ziel sind Planungsergebnisse, die sich weiter entwickeln dürfen und müssen. Der Weg dahin bedeutet Partizipation, Planung und Visionen – in stetig wechselnden Beziehungen: zur Zeit und unseren Planungspartnerinnen und -partnern.

Wenn wir die Demut der Landschaftsarchitektur, die Weitsicht der Stadtplanung, die Nähe zu den Menschen der Innenarchitektur und das Selbstbewusstsein der Architektur, das Richtige zu tun, zusammenbringen, sind wir den Herausforderungen der Zukunft gewachsen. Lasst uns die Stärken jeder Fachdisziplin anerkennen! Lasst uns heute gemeinsam in einen Dialog für ein besseres Morgen treten!

 
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