Dorfkirche Barkow
Fertigstellung 2007
Architekturpreis:
Landesbaupreis M-V 2008
Wiederaufbau der Dorfkirche Barkow
Dorfstraße
19395 Barkow
über das Projekt:Am 3. April 2004 stürzte das Dach der Kirche Barkow ein. Konsequent verfolgte die Kirchgemeinde den Wiederaufbau. Bewahren und Erneuern war die Aufgabe. Nun sollten auch die Bedingungen für die Kirchgemeindearbeit und selbst größere Konzerte verbessert werden. Im November 2005 wurde der neue Dachstuhl gerichtet und im Oktober 2006 konnte die Kirche wieder in Gebrauch genommen werden. Sanitäranlagen, Heizung und Kirche wurden denkmalverträglich eingeordnet. Historische Wandmalereien wurden entdeckt und gesichert und am Tag der Architektur 2007 erklang die alte Orgel von einer neuen Empore aus.
Bewertung der Jury des Landesbaupreises M-V 2008: Die Aufgabe bestand in der Wiederherrichtung der durch Baufälligkeit teilweise eingestürzten Dorfkirche mit einem mittelalterlichen Kernbau aus Feldsteinmauerwerk. Das Objekt liegt inmitten eines durch alten Baumbestand und liebevoll gepflegte Hausgärten geprägten Ortskerns. Es ist von mehreren Seiten über den außerordentlich großzügig und stilvoll angelegten Friedhof zugänglich. Von dem durchfahrenden Verkehrsteilnehmer gut einsehbar, liegt es auf einer leichten Anhöhe. Diese städtebaulichen Rahmenbedingungen haben die Architekten aufgegriffen, indem sie die entstandene Baulücke zwischen Kernbau und Fachwerkturm mit einer kräftigen Kubatur geschlossen haben. Dieses Zeichen wird dadurch sinnfällig, weil hier nicht nur ein zweiter Eingang angelegt wurde, sondern auch der ehemalige Fachwerkzwischenbau neu interpretiert wird. Der äußeren Form wird durch das Fassadenmaterial aus Corteenstahl eine zeitgenössische Prägung verliehen, die durch den leicht changierenden, warmen Braunton jedoch mit der von natürlichen Materialien geprägten Umgebung gut harmoniert. So wird aus einem riskanten Unterfangen Altes und Neues zusammenzubringen ein überraschend unaufdringliches aber unverwechselbares Ensemble.
Im Inneren ergibt der neue Zwischenbau Raum für die alte Orgel auf einer Empore, deren seitlicher Ausläufer für die Chorsänger den alten und neuen Teil zusammen bindet. Das Motiv der Einheitlichkeit des Kirchenraumes wird durch eine identische Farbgebung von alten und neuen Putzflächen erzielt, ohne dass der Neubau verleugnet wird, denn die neuen Wände sind deutlich rau strukturiert, was auch der Akustik zugute kommt. An der Nahtstelle von Alt und Neu sind zusätzliche Tageslichtöffnungen angeordnet, die den Zwischenbau auch innen auf sinnfällige Weise deutlich machen, ohne dass der Gesamtraum zerbricht. Der völlig offene neue Dachstuhl über dem alten Kernbau ist im guten Sinn schlicht ausgeführt. Die Tragwerksplanung hat hier auf denkbare Kräftedarstellungen spektakulärer Ausformung verzichtet. So findet sich hier ein Beispiel dafür, dass durchaus komplizierte Aufgaben einfach gelöst werden können, umso mehr die Konzentration auf den eigentlichen Zweck des Raumes die zentrale Aufgabe darstellt. Den Verfassern ist dies mit einer eindrucksvollen Gestaltung des Altarbereiches gelungen, in dem sich das Stahlmaterial der Außenhaut in den Kultgegenständen wieder findet, deren Ausformung ihre große Stilsicherheit verrät. In eindrucksvoller Leichtigkeit sind auch die neuen farbigen Fenster entworfen worden.
Mit dem Neu- und Umbau der Dorfkirche Barkow hat sich die dörfliche Gemeinschaft ein neues sozial-geistiges Zentrum geschaff en, von dem die Jury hofft, dass sich daraus nachhaltige Anreize für die Attraktivität des ländlichen Lebens ergeben.
Deutsches Architektenblatt 05/2008:
Architekturkritiker: Olaf Bartels
Eine neue Kirche für BarkowSeit am 31. Oktober, dem Reformationstag, 2006 die Kirche in Barkow wieder in Gebrauch genommen wurde, hat das Dorf eine Attraktion mehr. Touristen, die im Ort übernachten und hier ihre Wander- und Radtouren starten, nehmen sie auf ihren ersten Runden gern in näheren Augenschein. Aber auch Reisende mit entfernteren Übernachtungsplätzen stellen sich zur Besichtigung oder zum Gottesdienst ein. Die moderne Ergänzung der alten Kirche findet in der Bevölkerung Anklang und in der Gemeinde ist man zu Recht stolz auf den Bau. Viel war von dem Gotteshaus nicht übrig geblieben, als Anfang April 2004 das Dach einstürzte, denn die herabstürzenden Balken zogen nicht nur den Ostgiebel mit in die Tiefe, sondern auch das Innenleben der Kirche stark in Mitleidenschaft. Die Gemeinde war aber zu Wiederaufbau entschlossen, veranstaltete eine Ideenkonkurrenz unter ausgewählten Architekten und entschied sich letztlich nach dem Entwurf der Architekten und Ingenieure von stadt+haus in Wismar. Es sollte mehr als der
Status quo ante wieder entstehen und so entschied man sich in Absprache mit der Denkmalpflege, die Ergänzung der Kirche aus dem 19. Jahrhundert etwas zu beschneiden und durch einen Neubau zu ersetzen. Der ebenfalls im 19. Jahrhundert entstandene Turm wurde dagegen erhalten und restauriert, so dass auch diese Bauepoche der Kirche erkennbar blieb. Der Neubau verschafft der Kirche im wahrsten Sinne ganz neue Perspektiven. Es entstand nicht nur ein neuer Eingangsbereich. Mit seinen neuen vertikalen Fensterbändern erhielt auch das Kirchenschiff selbst mehr Licht, das zudem durch eine geschickte Dachkonstruktion ergänzt wird. Zwei Rundfenster bringen oberhalb der Decke Licht in den Dachraum, das dann durch Oberlichter in den Kirchenraum fällt. Auch die Gestaltung der neuen Kirchenfenster, die in die alten Öffnungen eingefügt wurden, sind mit hellen Farben so gestaltet, dass sie auch viel Licht durchlassen. Die sehr helle und leicht wirkende Einrichtung des Gottesdienstraumes unterstützt diesen Charakter. Die neue Empore für die alte Orgel und der schmale innere Balkon bestehen aus einer reinen Stahl- und Glaskonstruktion. Der Altar ist aus Stahl und einem alten Balken entstanden. Ebenso wurde mit dem alten Kirchengestühl verfahren, das jetzt weitgehend aus neuen schlichten Stühlen besteht. Das bauliche Erbe der alten Kirche ist aber überall präsent. Die Baumaßnahmen boten auch die Chancen, Untersuchungen an der Substanz durchzuführen, die prompt auch alte Wandbemalungen zu Tage förderten. Seit dem bewachen wieder zwei gemalte Engelfiguren den Kirchenraum. Aber auch sehr praktische Einrichtungen konnten ergänzt werden. So fand im unteren Geschoss des Kirchturms nicht nur eine neue Glocke, sondern auch die Heizanlage, ein Gäste-WC und eine kleine Küche Platz. Außen macht nicht nur der neu eingesetzte Bauteil mit seiner Cortenstahl-Verkleidung die Erneuerung der Kirche deutlich, auch die neuen Fenster und Türen, der hohe neu aufgerichtete Ostgiebel zeugen davon, auch wenn hier vornehmlich alte Steine zum Aufbau benutzt wurden. Das Erbe der alten Kirche und ihre Ergänzungen im 19. und 21. Jahrhundert sind deutlich abzulesen. Die vielfachen Begegnungen von Moderne und Historie sind dem Gebäude anzusehen und es wird deutlich, dass sie von Respekt geprägt waren. Das gilt im Detail wie auch im großen Maßstab. „Moderne trifft Erbe" war das Motto des Tages der Architektur 2007, zu dem die Kirche in Barkow vor fast einem Jahr das erste Mal vorgestellt wurde. Im September zum Tag des offenen Denkmals fand sie großen Anklang. Die Architekten Jörn Willert und Markus Weise haben offenbar mit ihrer Architektur den richtigen Ton getroffen, um auch ein breiteres Publikum anzusprechen.
Bauherr Ev.-Luth. Kirchgemeinde Barkow
Barkow
Architekten stadt + haus
architekten und ingenieure gmbh & co. kg
Scheuerstraße 17
23966 Wismar
Tragwerksplaner Guericke Ingenieurgesellschaft GmbH
Wismar
Haustechnik stadt + haus
architekten und ingenieure gmbh & co. kg
Wismar
Restaurator Restauratorengemeinschaft
Andreas Baumgart, Heiko Brandner
Rethwisch
Vermessung Vermessungsbüro Dipl.-Ing. Lothar Bauer
Wismar
Baugrundgutachten Ingenieurbüro für Bodenmechanik und
Grundbau Buchheim
Gägelow
Glasgestaltung Thomas Kuzio
Neu-Sommersdorf 1
Bauwerksdaten Bruttogeschossfläche 255 m²
Umbauter Raum 2.542 m³
Planungszeit 2005
Bauausführung 2005-2006
Baukosten 350.000 €
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