Kolumbarium
Fertigstellung 2008
Architekturpreis:
Rostocker Architekturpreis 2009
Neubau eines Kolumbariums auf dem Neuen Friedhof in Rostock
Neuer Friedhof, Damerower Weg
18059 Rostock
über das Projekt:Der geplante Standort des Kolumbariums befindet sich am Ende der Hauptachse der denkmalgeschützten Friedhofsplanung des Stadtdirektors Schomburg von 1910. In dem Gebäude werden 192 Urnen aufbewahrt, außerdem bildet es einen Ort des Abschieds und der Stille für die Angehörigen.
Der realisierte Pyramidenstumpf sollte zugleich einladend, als auch beschützend
wirken. Dafür wurden von den drei wichtigen Zugangsachsen drei große, offene Zugänge geschaffen, die umgebene Natur in das Gebäude hineinziehen. Es wird über breite „Natursteinbrücken" betreten, die die umlaufende Regenwasserrinne kreuzen. Oberhalb der Eingänge gibt es Glasbänder, die den Pyramidenstumpf symmetrisch in vier Teile zerlegen. Im Inneren wird durch Holzlisenen eine Tragkonstruktion für die Urneneinstellplätze geschaffen. Diese Lisenen verlaufen bis unter die Decke (Dach). Der Innenraum erhält damit eine stark plastische Gliederung. Die Urnen werden in den so entstehenden Nischen aufgestellt. Die horizontale Trennung erfolgt durch 4 cm dicke Natursteinböden. Die Einstellplätze haben eine Rückwand aus satiniertem Glas, das hinterleuchtet ist. Die Vorderseite wird durch eine transparente Glasscheibe gebildet. In der Raummitte befindet sich eine umlaufende Ruhebank, die im Zentrum die Möglichkeit zur Aufnahme von Blumenschmuck bietet.
Die Grundfläche des Gebäudes beträgt 8 x 8 m und es ist 12,60 m hoch. Es ist ein Kaltbau, der mit dem Zu- und Abluftöffnungen ständig durchlüftet wird. Die Pyramide ist aus 4 Stahlbetonfertigteilen errichtet worden, die außen mit poliertem Eternit verkleidet sind. Der Boden ist mit schwarzem Granit verkleidet.
Deutsches Architektenblatt 06/2009:
Architekturkritiker: Jürgen Tietz
Würdevolle MemoriaSeit der Zeit des alten Ägyptens stellen Pyramiden eine immer wiederkehrende Form für Bestattungsorte aber auch für das Totengedenken dar. Insofern steht das von Barbara Hass aus dem Architekturbüro Hass und Briese entworfene Kolumbarium auf dem Neuen Friedhof in Rostock Damerow in einer langen kulturgeschichtlichen Reihe. Aber auch ohne das explizite Wissen um solche Grundformen der Memoria, fügt sich der gelungene Bau harmonisch in die Komposition des idyllischen Friedhofs ein: In eine Sicht- und Wegeachse mit der um 1910 errichteten Friedhofskapelle eingebunden, bildet die stumpfe Pyramide einen modernen point de vue. Zugleich wird das Motiv der Pyramide hier mit dem des Kolumbariums, also der Urnenbestattung verbunden, wie sie seit der etruskischen und römischen Antike überliefert ist.
Konstruktiv wurde das Kolumbarium aus vorgefertigten Betonelementen zusammengesetzt. An drei Seiten führen dabei schräg (!) gesetzte Glastüren in das Innere des Grabbaus. An der vierten, der Rückseite, wurde sie als Fenster ausgeführt. So ergeben sich von allen Seiten Ein- und Durchsichten. Oberhalb der Glastüren bzw. Fenster setzt sich jeweils ein schmaler Glasstreifen in der Mitte jeder Pyramidenseite bis zur Dachkante hin fort, so dass auf dem Dach ein gläsernes Kreuz entsteht, das den Blick in den Himmel ermöglicht. Architekturhistorisch eine Umkehrung der T-Fenster von Louis Kahn, ergibt sich durch diese reizvolle Gestaltung eine subtile Überlappung paganen und christlichen Gedankengutes in der Sepulkralarchitektur.
Als Übergang von der einen in die andere Welt lässt sich auch die Bodengestaltung lesen: ein großer Granitblock bildet auf Höhe der Türen eine „Brücke" die von außen in den Grabbau hineinführt. Und während die Fassade des Kolumbariums mit unterschiedlich breiten, schwarzen Eternitplatten verkleidet wurde, dominiert im Inneren der Dualismus aus weißen Wänden und den nach oben strebenden Holzlisenen. Im unteren Bereich werden sie zu Regalen: auf den eingeschobenen Böden aus Granit sind die Urnen eingestellt. Satiniertes Glas an der Rückseite der Nischen ermöglicht es, sie zu beleuchten. Nach vorne hin sind die Grabnischen jeweils durch transparente Glasscheiben abgeschlossen. Ein Holzmöbel im Zentrum des Kolumbariums nimmt notwendige technische Einrichtungen auf. Zugleich dient sein Rand als Ruhebank und bietet so Raum zum Verweilen und Gedenken. Ein quadratisches Feld im Zentrum des Möbels ist zudem mit Vasen aus Stahl ausgestattet, die den Blumenschmuck aufnehmen. Die einzelnen Elemente des Kolumbariums fügen sich zu einem ebenso stimmigen wie überzeitlich-würdevollen Grabbau, der eine Alternative zu den traditionellen Bestattungsformen bietet.
Ostsee-Zeitung vom 29.06.2009:
Redakteurin: Ingried Feuerstein
Die Jury entschied einstimmig. Sie erkannte den undotierten Rostocker Architekturpreis in diesem Jahr Barbara Hass zu für ihre Gestaltung des Kolumbariums auf dem Neuen Friedhof. In dem fast 13 Meter hohen Gebäude können 192 Urnen aufbewahrt werden. Claus Kurzweg, Juryvorsitzender und ehemaliger Chef des Landesbauamtes, erklärte, für das Kolumbarium habe sich die Jury entschieden, weil „für eine schwierige, nicht alltägliche Aufgabe eine sehr angemessene Lösung gefunden wurde". Kurzweg lobte die Symbolhaftigkeit der Form eines Pyramidenstumpfes, der durch Lichtbänder durchbrochen ist, die im oberen Bereich ein Kreuz bilden. Überzeugend sei der Einsatz des Materials sowie Innenraumgestaltung und Möblierung des Bauwerks. Sichtlich gerührt widmete Barbara Hass den Preis ihrem in der vorigen Woche gestorbenen Vater Conny Brauns. „Mein Vater, ein Rostocker Architekten-Urgestein, hätte sich so über meinen Preis gefreut." Barbara Hass beteiligt sich seit 2003, als der Architekturpreis zum ersten Mal ausgelobt wurde, am Wettbewerb. Voriges Jahr errang sie ihn mit Renate Funck, Ursula Jastram, Maik Buttler und Rainer Briese für das Goethegymnasium. Auch die anderen zehn Objekte „hatten ihre Qualitäten", würdigte Kurzweg die Beiträge „voller Vielfalt, unterschiedlicher Größenordnung und Finanzvolumen". Der Entwurf von Diana Albert und Kerstin Beyer für den Neubau der Feierhalle auf dem Graal-Müritzer Friedhof sei dicht an den Sieger herangekommen. Für den Wettbewerb waren Gebäude, ein Spielplatz und eine Inneneinrichtung aus Rostock und Umgebung eingereicht worden. „Unser Preis ist erwachsen geworden", freute sich Architekt Stephan Bastmann, einer der Initiatoren des Preises und Sprecher der Kammergruppe Rostock der Landes-Architektenkammer. „Mit dem Wettbewerb wollen wir Zeichen für gewachsene Baukultur setzen", sagte der ehemalige Stadtarchitekt Christoph Weinhold. „Die Stadt hat es sich verdient." Mit Kurzweg arbeitet er von Anfang an in der Jury mit.
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